Freitag, 11. Dezember 2009

Über das Zustandekommen und die Kritik an der Form der Podiumsdiskussion

Am Mittwoch den 9. 12. 2009 wurde am Mittag eine Podiumsdiskussion zwischen Universitätsleitung, Regierungsvertreter und studentischen VertreterInnen abgehalten. Auslöser waren die Proteste gegen aktuelle Bildungspolitik und Bildungssysteme, welche in den letzten Wochen auf bundes- und weltweiten Demonstrationen und durch Besetzungen von Hörsälen und Schulen geäußert wurden. Noch Anfang Dezember sind nach einem Monat ca. 70 Hochschulen bundesweit durch Studierende besetzt.

Zunächst Hörsaal 1 dann HS 4 und 5 waren im Anschluss an die Demonstration vom 17.11. mit über 3000 Menschen besetzt wurden. In der zweiten Woche sprachen sowohl die Unileitung als auch die Streikenden ihre prinzipielle Redebereitschaft aus. Der Rektor hatte um ein Gespräch gebeten, doch das Plenum des besetzten Hörsaals entschied, zum einen nicht im Stillen sondern in der Öffentlichkeit miteinander zu reden und zum anderen die Runde zu gleichen Teilen (jeweils drei Vertreter) zu besetzen. Der Rektor lehnte diese Bedingungen jedoch ab.

Anfang der dritten Woche drehte Rektor Dicke die Positionen auf den Kopf und sagte, er diskutiere nur mit uns, wenn wir bis Donnerstag den Hörsaal verlassen würden. Da dies gar kein guter Tausch ist, wurde ein Gespräch durch die BesetzerInnen abgelehnt und für einen späteren Zeitpunkt ins Auge gefasst. Die von der Unileitung in der Pressemitteilung vom 02.12. so behauptete fehlende Gesprächsbereitschaft entspricht nicht den Tatsachen. Eine Gegendarstellung vom 03.12. legt dies dar.


Dann lud die Unileitung selbst zu einer Podiumsdiskussion ein. Für das Podium wurde folgende Besetzung vorgeschlagen: statt der geforderten drei BesetzerInnen nur noch eine Person, und jeweils ein/e VertreterIn für die Fachschaften und den Stura. Auf Seiten der Unileitung sollten nunmehr zwei Vertreter auf dem Podium sowie der Staatssekretär Thomas Deufel sitzen. Anfang der vierten Woche überbrachten, um mit den missverständnisfördernden Dreieckskommunikationen über den Stura zu brechen, zwei VertreterInnen an den Rektor persönlich die Botschaft, dass wir nur an der Podiumsdiskussion teilnehmen würden, wenn drei Personen für den Bildungsstreik auf dem Podium säßen. Der Rektor lehnte dies unter Verweis auf eine unpraktikable Größe des Podiums ab, er bewilligte jedoch zwei Gesandte.

Das Plenum am Montag abend hat in einer fünfstündigen Diskussion versucht die schwierige Frage zu entscheiden, wie man mit diesen Umständen umgeht, gerade vor dem Hintergrund, dass die Protestierenden seitens der Unileitung nicht als eine legitimierte Stimme anerkannt waren, obwohl es hunderte Unterschriften, zahlreiche Zustimmungen und tausende Menschen auf den Straßen gab. Zudem wurde am Montag bekannt, dass die Diskussion am Mittag und nicht am zentralen Abbe-Campus stattfinden solle. Einig waren sich die Teilnehmenden des Plenums darin, dass die Podiumsdiskussion weder Lösungen bringen werde noch eine Verständigung im Sinne von Aushandlung der Forderungen Gegenstand sein könne. Die Diskussionen der letzten Wochen hatten eine Verschiebung im Fokus von Protest, Forderung an Amtsträger und Gremien mit anschließenden Abwarten hin zu einer Verwirklichung von Demokratie auf der Ebene der Betroffenen, den Dozierenden und Lehrenden. Da die Unileitung weder die wesentlichen Kompetenzen für die angestrebten Verändeurungen der Studienordnungen oder der demokratischen Struktur der Hochschule innehat noch innehaben sollte, war unklar, worüber man überhaupt sprechen solle. Einig waren sich die Streikenden auch, dass eine Podiumsdiskussion an sich äußerst undemokratisch und keine gute Grundlage für eine Diskussion auf Augenhöhe ist.

Man kann sagen, dass am Ende die meisten mit einem zwiegespaltenen Gefühl sich für die Teilnahme an der Diskussion aussprachen. Die ebenfalls diskutierte Variante, eine informative Erklärung, welche die Ablehnung eines Teilnehmens kommunizieren sollte, zu verlesen, wurde auch von Vielen begrüßt doch zugunsten einer entgegenkommenderen, versöhnlicheren Entscheidung verworfen.

Da die letztliche Entscheidung über die Teilnahme an der Podiumsdiskussion nicht von allen mitgetragen werden konnte, außer dass sie sich ihres Vetos enthielten, wurde eine Erklärung per Handzettel in das Publikum gereicht. In dieser Erklärung wurde die Kritik an der Form von Podiumsdiskussionen im Allgemeinen und an dieser ganz konkreten kommuniziert. Die Kritik wurde auch von den Teilnahmebefürwortern geteilt. Dieser Akt zeigt zum einen erneut die Heterogenität der Bildungsstreikbewegung, was deutlich unsere Stärke ist, und zum anderen macht der Text den im besetzten Hörsaal stattgefundenden Diskurs transparent.

Trotz des nicht sehr zentralen Ortes (Döbereiner Hörsaal) und der ungünstigen Mittagszeit, fanden sich über 200 Menschen, größtenteils Studierende im Hörsaal ein. Dozierende waren spürbar wenige anwesend, was zum Teil auch durch eine Angst vor Gesichtsverlust durch Teilnahme an solchen Veranstaltungen mit der Unileitung erklärt werden kann – dies war uns gegenüber im Vorfeld von Dozierenden als Begründung für eine Nichtteilnahme gegeben worden.

Schlussendlich waren die Bildungsstreikenden durch Tobi Krone und Kirsten Limbecker vertreten. Für den Studierendenrat saß der Hochschulpolitische Referent Jörg Hänold und für die Fachschaften Matthias Haberland. Von der Unileitung waren Rektor Klaus Dicke und der Prorektor für Lehre und Struktur Kurt-Dieter Koschmieder Sprecher auf dem Podium. Zudem war der seit fünf Wochen amtierende Thüringische Staatssekretär für Wissenschaft und Forschung Thomas Deufel (SPD), welcher zuvor Professor an der Universität Jena war, geladen. Geleitet wurde die Diskussion durch Francis ..., die beim Stura der Uni die Redeleitung führt.

Was die BesetzerInnen im Vorfeld an Erwartungen und Kritikpunkten dieser Podiumsdiskussion diskutiert hatten erwies sich im Nachhinein als richtig. Ein Gespräch oder eine Diskussion konnte unter den strukturellen Bedingungen einer Podiumsdiskussion nicht möglich werden. In der zur Verfügung stehenden guten Stunde waren die Redebeiträge auf zwei bis vier Ausführungen beschränkt. Außer einem Kritisieren vorher geäußerter Meinungen und Darstellen der eigenen Argumente konnten kaum bis gar nicht Gegendarstellungen gegeben, Reaktionen geäußert oder auch nur im entferntesten Debatten geführt werden.

Ein konkretes Thema war nicht vorgegeben, weswegen die PodiumsteilnehmerInnen viele Themen des Bildungsstreiks ansprachen, jedoch eben nicht mehr als in einem groben Anreißen. Die Redeleitung gab nach einer ersten Runde von Statements, welche überwiegend zur Bologna-Reform, deren Umsetzung und den daraus resultierenden Studienbedingungen abgegeben wurden, eine Frage zu den Möglichkeiten der Verbesserung der Demokratie an der Hochschule, welche die zweite Rederunde eröffnete. Die zweite Frage wurde zur Lösung der Finanzierungsproblematik gestellt, deren 'Beantwortung' hin zur Problematik der Ökonomisierung der Hochschule führte.

Nach diesen Podiumsrunden gab es die Möglichkeit für das Auditorium, Fragen zu stellen und Kommentare zu geben. Leider waren wegen der zeitlichen Beschränkung und der Intention einer Fragerunde, die zu weiteren Redeminuten seitens der Unileitung führte, nur vier Beiträge möglich. Eine starke Kritik sprach eine Studentin aus dem Publikum in einem der vier Redebeiträge, geteiltvom gestrigen Plenum und vielen BesucherInnen an der Begrüßung durch die Redeleitung aus. Während die Unileitung und der Staatssekretär mit „sehr geehrter“ und vollen Namen vorgestellt wurden, und die studentischen Gremienvertreter wenigstens Vornamen bekamen, wurden die BesetzerInnen nur als solche bezeichnet. Auffällig war das äußere Auftreten insbesondere von Rektor Klaus Dicke und von Staatssekretär Thomas Deufel. Aus ihrer Körperhaltung, ihren seltenen Blicken zu den Sprechenden und ihre Nebengesprächen sprach sowohl eine gewisse Arroganz und ein Desinteresse an der Diskussion und den Gedanken der Studierenden. Beim letzten Redebeitrag aus dem Publikum musste der Sprechende sogar, obwohl es um Herrn Dicke selbst und seine Verbindungen zur CHE und zu Bertelsmann ging, diesen dazu aufgefordern zuzuhören.

Die Diskussion war wie erwartet ergebnislos, nicht nur wegen der Form und der üblichen inhaltsleeren und beschwichtigenden Ausführungen über allgemeine Prozesse und die eigenen Bemühen seitens des Regierungsvertreters und der Universitätsleitung. Es kann keine Diskussion über demokratische Formen, grundsätzliche Kritik oder reflexive Fragen geführt werden, wenn die eine Seite sich nicht auf die Gedanken der anderen einlässt und Hinterfragungen und neue Ideen als Spinnereien verachtend abtut.

Eine Kritik an den inhaltlichen Äußerungen der Unileitung sind in dem Artikel zur Kultusministerkonferenz und der Podiumsdiskussion eingebaut.

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